In der Artikelserie Mythos Stadthalle beleuchtet kac.at bis zum Bezug der Heidi Horten-Arena im Herbst 2022 die reichhaltige Geschichte jener Spielstätte, die der KAC bzw. EC-KAC mehr als sechs Jahrzehnte lang seine Heimat nennen konnte. Im wöchentlichen Abstand werden 63 Schlaglichter auf die 63 Stadthalle-Saisonen der Rotjacken geworfen: Große Triumphe und bittere Niederlagen, denkwürdige Spiele und Persönlichkeiten – jeweils eine Anekdote pro Spielzeit.
Die Nummer zwei in Europa
10.10.1969 / Klagenfurter AC – CSKA Moskva (1:9)
Nachdem der KAC zwischen 1966 und 1968 drei Mal in Folge im Halbfinale des Europacups am tschechoslowakischen Serienmeister ZKL Brno gescheitert war, gelang 1969 zum ersten und bislang einzigen Mal der Sprung ins Finale. Dort wartete mit CSKA Moskva ein übermächtiger Gegner: Die damals wohl beste Klubmannschaft der Welt war weitestgehend deckungsgleich mit dem sowjetischen Nationalteam, das sich wenige Monate zuvor gerade den siebten Weltmeistertitel hintereinander geholt hatte. Die massive sportliche Unterlegenheit bereits im Vorfeld außer Zweifel stellend, erwarb der KAC das Heimrecht auch für das zweite Finalspiel, Klagenfurt rüstete sich im Oktober 1969 für ein mehrtägiges Eishockeyfest. Beide Partien waren innerhalb von weniger als 48 Stunden ausverkauft, selbst das Abschlusstraining der Sowjets verfolgte eine nahezu vierstellige Anzahl an Schaulustigen. In den Medien war das doppelte Gastspiel der Sowjets tagelang das bestimmende Thema, auch die sportliche Aussichtslosigkeit für die Rotjacken, die diversen Interviews zu Folge eine Niederlage mit weniger als 15 Gegentreffern als Erfolg betrachteten, bremste die Euphorie nicht. Weil die lokalen Behörden die Sicherheitslage durchaus wohlwollend interpretierten, konnten am Abend des 10. Oktober gut 6.000 Fans die Stadthalle sprichwörtlich stürmen. Menschentrauben hingen an den Geländern, sämtliche Stiegenaufgänge waren vom Eis aus unsichtbar, weil von Zusehern besetzt. Und die Anhänger erwiesen sich als äußerst fair, tosender Applaus begleitete auch die eishockeyästhetisch herausragenden Aktionen der Gäste. In der Anfangsphase der Partie konnten die Klagenfurter noch dagegenhalten, in den Minuten sieben bis neun sendete CSKA jedoch gleich drei Mal ein. Auch im Mitteldrittel wehrten sich die Rotjacken einige Zeit gut, in der zweiten Hälfte des Abschnitts schrieben die Sowjets dann allerdings erneut drei Mal an. Im finalen Durchgang verließen den KAC, der damals noch kein geordnetes Sommertraining absolvierte und den Moskauern, die bereits im Mai in die Saisonvorbereitung gestartet waren, konditionell deutlich unterlegen war, zwischendurch die Kräfte, nun benötigte CSKA vier Minuten für seine nächsten drei Tore. Grenzenlos war der Jubel in der proppenvollen Stadthalle schließlich in der denkwürdigen 51. Spielminute: Vom Finnen Juhani Wahlsten in Szene gesetzt, erzielte Erich Romauch den Ehrentreffer für die Rotjacken. Die Klagenfurter verteidigten sich in der Folge mit letztem Einsatz und konnten somit sogar eine zweistellige Niederlage vermeiden – Endstand 1:9. Im „Rückspiel“ zwei Tage später trat CSKA mit einer nur an einer Position veränderten Mannschaft an: Zwischen den Pfosten stand ein schmächtig wirkender, erst 17-jähriger Teenager, dessen Auftritt in Klagenfurt zwar nicht den Ausgangspunkt seiner späteren Weltkarriere bildete, der hier sehr wohl jedoch eines seiner ersten Bewerbsspiele im Erwachseneneishockey bestritt. Sein Name: Vladislav Tretiak. Der Torhüter absolvierte 52 Tage später das erste seiner 291 Länderspiele für die Sowjetunion, am Ende seiner Laufbahn zierten drei Olympische Goldmedaillen und zehn Weltmeistertitel seinen Lebenslauf. Seine Mannschaft siegte in diesem „Rückspiel“ vor erneut ausverkauftem Haus mit 3:14 und holte sich damit ihren ersten Europacup-Titel, 19(!) weitere sollten in den 21 folgenden Jahren hinzukommen.
10.10.1969, Europacup-Finale, Hinspiel
Klagenfurter AC – CSKA Moskva 1:9 (0:3,0:3,1:3)
Torschützen: Erich Romauch (51.) bzw. Yuri Moiseyev (8., 37.), Valeri Kharlamov (7.), Vladimir Vikulov (9.), Anatoli Firsov (30.), Viktor Polupanov (39.), Vladimir Petrov (45.), Vladimir Brezhnev (47.), Yuri Blinov (49.)
Aufstellung KAC: Karl Pregl; Anton Kenda-Gerhard Felfernig, Adelbert Saint John-Gerd Schager; Heinz Schupp-Josef Puschnig-Dieter Kalt, Erich Romauch-Juhani Wahlsten-Esko Kaonpää, Horst Kakl-Paul Samonig-Walter König
Aufstellung CSKA: Nikolai Tolstikov; Alexander Ragulin-Viktor Kuzkin, Vladimir Brezhnev-Igor Romishevsky; Vladimir Vikulov-Viktor Polupanov-Anatoli Firsov, Boris Mikhailov-Vladimir Petrov-Valeri Kharlamov, Yuri Blinov-Anatoli Ionov-Yuri Moiseyev
In Serie zweistellig
27.01.1971 / Klagenfurter AC – ATSE Graz (12:4)
In der Spielzeit 1970/71 dominierten die Rotjacken die heimische Bundesliga, am Saisonende stand aus 28 Ligaspielen nur eine einzige Niederlage zu Buche: Am 2. Dezember 1970 hatte der ATSE Graz, späterer Vizemeister, in Klagenfurt mit 5:3 gesiegt. Das zweite Gastspiel der Steirer in der Stadthalle in diesem Jahr wurde jedoch zur rot-weißen Galavorstellung: Der KAC siegte überlegen mit 12:4 und sicherte sich damit am 27. Januar 1971, im 23. Meisterschaftsspiel, vorzeitig den Meistertitel. Die Partie blieb auch abseits des Sportlichen in Erinnerung, wurde doch erstmals in der Vereinshistorie eine eigene Tormusik – damals ein Tusch der Kärntner Militärmusik – eingespielt. Der Kantersieg gegen den ATSE war der vierte für die Klagenfurter in Serie: Nach dem bitteren Viertelfinal-Aus im Europacup gegen Cortina Mitte Januar schoss sich der KAC in den folgenden vier Liga-Heimspielen förmlich den Frust von der Seele, vier Mal hintereinander gelangen zweistellige Erfolge (10:2 gegen den Innsbrucker EV, 13:2 gegen den Grazer AK, 10:2 gegen den EK Zell am See und eben das den Titel fixierende 12:4 gegen den ATSE Graz). Zu jedem dieser klaren Siege steuerte Josef „Sepp“ Puschnig jeweils einen Treffer bei, überhaupt präsentierte er sich in dieser Saison, seiner bereits zehnten in der Kampfmannschaft, als große Konstante im KAC-Spiel: Er traf in 21 der 28 Bundesligapartien, und verbuchte neben seinen insgesamt 29 Toren in der Meisterschaft sieben weitere im Europacup, Alpenpokal und in Freundschaftsspielen. Er war damit eine der tragenden Säulen in einer der auf nationaler Ebene dominantesten Rotjacken-Mannschaften der Klubgeschichte: Die Winning-Percentage von 89,3 Prozent war die zweithöchste jemals erreichte des KAC in der heimischen Meisterschaft, die durchschnittlich 6,79 pro Bundesligapartie 1970/71 erzielten Treffer wurden seither nie wieder erreicht.
Hattrick des späteren Präsidenten
28.01.1972 / Klagenfurter AC- Kitzbüheler EC (7:3)
Die Saison 1971/72 startete mit einem Schock für die Klagenfurter: Anfang Oktober unterlag man dem HK Jesenice, der sich hinsichtlich seiner Spielstärke von den ersten Duellen zu Beginn der 1950er-Jahre an kontinuierlich verbessert hatte, sowohl auswärts (4:5) als auch zu Hause (3:4) knapp, Rot-Weiß scheiterte damit bereits in der ersten Runde des Europacups. Auch im Alpenpokal lief es für den KAC eher holprig, nicht so jedoch in der heimischen Bundesliga: Einmal mehr stellte man seine Heimstärke unter Beweis, die 25 von 28 möglichen Zähler, die in der Stadthalle eingefahren wurden, bildeten die Basis für den letztlich souverän gewonnenen neunten österreichischen Meistertitel in Folge. De-facto fixiert wurde das insgesamt 14. Nationale Championat in der letzten Liga-Heimpartie der Saison, am 28. Januar 1972 bezwangen die Rotjacken den Kitzbüheler EC vor gut 2.000 Zuschauern mit 7:3. Wie dem Kanadier Robert Tuff gelang in dieser Begegnung auch Dieter Kalt ein Hattrick, sein Tor zum zwischenzeitlichen 6:1 in der 48. Minute war sein letztes im KAC-Trikot auf Klagenfurter Eis. Der Eishockey-Tausendsassa, der sich exakt 20 Jahre zuvor dem rot-weißen Nachwuchsteam angeschlossen hatte, beendete nach der Saison seine aktive Karriere. Standesgemäß war seine finale Spielzeit auch seine trefferreichste, ganze 45 Bewerbsspieltore (34 in der Liga, zwei im Europacup und neun im Alpenpokal) gelangen ihm in diesem Jahr. Erstmals in einem Ligaspiel angeschrieben hatte der Stürmer am Dreikönigstag 1961 gegen Leoben, elf Saisonen später – neun davon für den KAC und studienbedingt zwei für den ATSE Graz – zog er im Alter von 30 Jahren einen frühen Schlussstrich unter seine Spielerlaufbahn. Dem Eishockey blieb der Jurist freilich über Jahrzehnte hinweg verbunden: Er arbeitete zunächst als Schiedsrichter, wurde 1975 Trainer der Kampfmannschaft der Rotjacken und führte diese umgehend zu zwei Meistertiteln. Einen Namen machte sich Dieter Kalt in der Folge vor allem als Funktionär: Lange Jahre arbeitete er als Verbandskapitän des ÖEHV, 1996 stieg er zu dessen Präsident auf – ein Amt, das er zwei volle Dekaden lang bekleiden sollte. Der Stempel, den er dem österreichischen Eishockey über knapp sechs Jahrzehnte hinweg in unterschiedlichen Rollen aufdrückte, erfuhr auch höchste internationale Anerkennung: 2017 wurde er als insgesamt vierter und bislang letzter Österreicher in die IIHF Hall of Fame in Toronto aufgenommen, wo er neben den „Buildern“ Walter Wasservogel und Hans Dobida auch seinem langjährigen Mitspieler Josef „Sepp“ Puschnig Gesellschaft leistet.
Alle Neune im Startdrittel
09.12.1972 / Klagenfurter AC – Kitzbüheler EC (22:1)
Kamen in den ersten 13 Jahren nach dem Bezug der Stadthalle Legionäre zum überwiegenden Großteil aus Kanada (sowie vereinzelt aus den USA sowie ab 1968 verstärkt auch aus Finnland), so schloss sich im Sommer 1972 mit Viktor Zyplakov erstmals ein sowjetischer Spieler den Rotjacken an. Er begründete damit eine kurze, jedoch sehr erfolgreiche Periode osteuropäischer Prägung der KAC-Mannschaft: Bei den Klagenfurtern, von 1972 bis 1975 auch von russischen Trainern (Yuri Gluchov und Yuri Baulin) gecoacht, stand fortan bis zum Sommer 1977 durchgehend zumindest ein Import aus der UdSSR im Aufgebot: Zyplakov, Vladimir Vasiliev und Igor Dmitriev steuerten in diesen fünf Jahren gemeinsam nicht weniger als 246 Treffer in Bewerbsspielen zu den rot-weißen Erfolgen bei. Der Verlauf der Saison 1972/73 ähnelte jenem der vorangegangenen Spielzeit: Wieder scheiterten die Klagenfurter Anfang Oktober in der ersten Runde des Europacups, nun am DDR-Klub Dynamo Weißwasser, erneut schloss daran eine souveräne Bundesliga-Kampagne an, von 14 Heimspielen ging nur eines (am 4. November 1972 gegen den EHC Feldkirch/4:5) verloren. Die beiden Ausrufezeichen bildeten die Kantersiege gegen den Kitzbüheler EC: Nachdem die Tiroler in der Stadthalle bereits am ersten Spieltag mit 2:17 unter die Räder gekommen waren, gestaltete sich ihr zweiter Auftritt in der Landeshauptstadt Kärntens noch dürftiger: Am 9. Dezember 1972 besiegten die Rotjacken den KEC gleich mit 22:1, alleine im Startdrittel schrieb der Meister neun Mal an. Der KAC brachte ab dem ersten Seitenwechsel zahlreiche Nachwuchskräfte zum Einsatz, so erzielte der erst drei Wochen zuvor 18 Jahre alt gewordene Alexander Sadjina seinen ersten Bundesligatreffer. Deren 134 sollten im weiteren Verlauf seiner Karriere, in der er ausschließlich die Rotjacken repräsentierte, folgen, viele davon als Teil der gefürchteten Angriffsformation mit Rudolf König und Herbert Pöck. Für die Gäste aus Tirol war das Debakel in der Stadthalle ein Vorbote des Abgesangs: Nach 25 Jahren ununterbrochener Zugehörigkeit zur höchsten Spielklasse – nur 1960/61 agierte man in einer Spielgemeinschaft mit Salzburg – stieg der Kitzbüheler EC am Saisonende ab, nie mehr war der Klub seither in der ersten Liga vertreten.
Erstmals Playoffs
12.02.1974 / Klagenfurter AC – Wiener EV (10:2)
Die andauernde Vormachtstellung des KAC auf nationaler Ebene brachte im Spieljahr 1973/74 der EC Innsbruck ins Wanken, die Tiroler besiegten die Klagenfurter in drei von vier Grunddurchgangsduellen. Der erste Tabellenrang der Rotjacken nach 28 Spieltagen war daher nur mit einem Zähler abgesichert, erstmals in der Geschichte des österreichischen Eishockeys kamen in dieser Saison im Anschluss an die Regular Season auch Playoffs zur Austragung. Dort hatte der Titelverteidiger im „Best-of-Five“-Halbfinale gehörige Probleme mit dem Wiener EV: Der Hauptstadtklub siegte zum Serienauftakt in Klagenfurt nach Verlängerung, dann setzte sich zwei Mal der KAC durch. Als Rot-Weiß in der vierten Partie, ausgetragen in der Donauparkhalle, früh im dritten Abschnitt mit 3:1 in Führung lag, wähnte man sich bereits am Weg ins Finale, doch vermochte der WEV den Rückstand noch zu drehen und somit ein fünftes und entscheidendes Spiel zu erzwingen, das nur 24 Stunden später in der Kärntner Landeshauptstadt ausgetragen wurde. Der überraschend ausgeglichene Serienverlauf sorgte in Klagenfurt insbesondere bei Medien und Publikum für einige Nervosität, von der sich die Mannschaft jedoch keineswegs anstecken ließ: Als im ersten Elimination Game der KAC-Historie auf Ligaebene die Gäste aus Wien durch den Kanadier Robert Halpenny in Minute 18 erstmals anschreiben konnten, hatten die Rotjacken bereits satte fünf Mal getroffen. Vor 4.300 Fans in der Stadthalle hatten Viktor Zyplakov in der ersten und Winfried Dareb in der zweiten Spielminute die Weichen bereits frühzeitig auf Sieg und Endspielteilnahme gestellt, am Ende leuchtete ein klares 10:2 von der Anzeigetafel. Die vier Tage später startende Finalserie gegen Grunddurchgangswidersacher Innsbruck eröffneten die Klagenfurter mit zwei 5:2-Heimsiegen. Der IEV holte sich Spiel drei, dann beendeten die Rotjacken auch die zweite Playoff-Serie ihrer Klubgeschichte mit einem Trefferreigen: Über 6.000 Zuschauer in der Olympiahalle wurden Zeugen eines 9:5-Erfolgs des KAC, mit dem der elfte Meistertitel in Folge fixiert wurde.